29.03.2017 | So punkten Sie

Überfordern Sie Ihre Kunden? Bald nicht mehr.

Weniger ist mehr! Doch das zu beherzigen, fällt schwer. Denn (1) wollen wir zeigen, was wir zu bieten haben. Und (2) könnte der eine Kunde ja dieses wollen, der andere jenes und der nächste … Doch: Wenn unser Angebot zu groß ist, schadet das unserem Erfolg. Beträchtlich. Das Marmeladen-Experiment wird Sie davon überzeugen!

Sheena Iyengar lehrt als Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Columbia Business School. Sie ist Psychologin und Expertin der Entscheidungstheorie. Im Marketing kennt man Iyengars wegen ihres „Marmeladen-Versuchs“.

Gemeinsam mit ihrem Kollegen Mark Lepper baute Iyengar in einem kalifornischen Delikatessengeschäft Probiertische auf. Das Angebot: Kunden können Marmelade-Sorten testen. In einer Versuchsanordnung präsentierten die beiden Forscher den vorbeigehenden Kunden 6 verschiedene Marmeladensorten zum Probieren. In einer zweiten Anordnung 24.

Weniger Marmelade ist … mehr Verkauf

Das Ergebnis war verblüffend: Von den Kunden, die am Tisch mit 24 Sorten vorbei kamen, probierten 60 Prozent zumindest eine Sorte. Soweit, so erfolgreich. Doch: Noch nicht mal 2 Prozent der Passanten kauften ein Glas!

Und am zweiten Tisch? Die kleine Auswahl lockte nur 40 Prozent der Vorbeigehenden zum Marmelade-Test. Doch: Am Ende nahmen 12 Prozent der Passanten ein Glas mit zur Kasse. Um ein Vielfaches mehr als vom Tisch, der die große Auswahl bot.

In Zahlen:
24 Marmeladen zur Wahl, 242 Passanten kommen vorbei, 145 verkosten, 4 kaufen.
6 Marmeladen zur Wahl, 260 Passanten kommen vorbei, 104 verkosten, 31 kaufen.

Das Paradoxon der Wahl

Ähnliche Versuche gibt es im Feld der Entscheidungstheorie sonder Zahl. Sie machen durchwegs deutlich:

Obwohl uns Vielfalt und die Möglichkeit zu wählen faszinieren – sobald es darum geht, Entscheidungen zu treffen, weichen wir vor einer zu großen Auswahl zurück. Wir fühlen uns überfordert.

Die Gründe für dieses Paradox hat der Psychologe Barry Schwartz untersucht. Seine Erkenntnisse kurz gefasst: Als Erwachsene gehen wir davon aus, dass unsere Entscheidungen Konsequenzen haben. Natürlich wollen wir – wenn wir die Wahl haben – das Beste für uns erreichen. Fehlen uns aber die hilfreichen Kriterien, um unsere Entscheidung abzuwägen und unsere Wahl qualifiziert zu treffen, bleiben wir unbefriedigt und verwirrt zurück. Und das ist kein Zustand, in dem wir Kaufentscheidungen treffen. Wir weichen der Entscheidung aus – und lassen es mit dem Testen der Marmeladen bewenden.

Wer verwirrt, verliert

Nun die Gewissensfragen:

  • Wie viele Marmeladen haben Sie im Angebot?
  • Findet sich Information über Information in den Stellagen Ihrer Website?
  • Bieten Sie Ihren potenziellen Kunden eine lange, laaaange Liste an Möglichkeiten, damit er seine Wahl möglichst genau treffen kann?
  • Für absolut JEDE/N etwas dabei?
  • Rundum mehr als genug?

Ja? Viel zu viel im Angebot? Folgende Vorschläge für Sie:

  • Beobachten Sie sich in den kommenden Tagen selbst. Wie reagieren Sie auf sehr große Angebote? Jetzt, wo Sie die Marmeladengeschichte kennen, merken Sie, wie mühsam Auswahl sein kann? Fällt Ihnen auf, dass Sie Ihre Kaufentscheidung vertagen, wenn Sie sich überwältigt fühlen?
  • Fassen Sie sich ein Herz: Reduzieren Sie Ihre Angebote. Bringen Sie auf den Punkt, was Sie zu bieten haben. Nehmen Sie Ihrem potenziellen Kunden die schwierige Aufgabe der Wahl ab. Wenn Sie das sehr bitter finden, sehen Sie es so: Einer muss leiden. Wenn , trifft es Ihre Kundin/Ihren Kunden. – Und über diesen Weg Ihren Geschäftserfolg.
  • Vielleicht haben Sie den Eindruck, reduzieren ist kein möglicher Weg für Sie.
    Vielleicht haben Sie recht :-). Ihre Lösung kann dann folgende sein: Stellen Sie Ihrem Kunden klare, hilfreiche Kriterien für seine Entscheidung zur Seite. Ja – im Kundengespräch Beratung genannt. Diese Hilfestellung können Sie auch in Texten bieten. Nehmen Sie Ihren Kunden an die Hand. Führen Sie ihn durch Ihr Angebot. Damit er nicht nur Wald, sondern Bäume sehen kann. Und so sein Lieblingsbäumchen findet.

So bringen Sie Klarheit ins Spiel

Auf das Marmeladen-Beispiel gemünzt: Verkleinern Sie Ihr Sortiment! Oder – falls Sie das nicht möchten – tun Sie folgendes:

  • Reduzieren Sie Ihre Auswahl, indem Sie Kategorien schaffen. Sortieren Sie Ihre Marmeladen nach sinnvollen Kriterien: Geschmacksrichtungen, Saison-Bestseller …
  • Geben Sie zusätzlich weiterführende Hinweise.  „Als Marillen-Fan, werden Sie unsere Omis Morgenküsschen lieben, weil …“. Oder sogar: „Als Marmeladenfreund, der morgens nur schwer aus den Federn findet, liegen Sie mit Omis Morgenküsschen goldrichtig. Denn …“.

Sie sehen: Phantasie hilft! Sie kennen Ihre Zielgruppen. Sie wissen, welche Hinweise ihnen die Orientierung erleichtern und Klarheit schaffen. So – und nur so – geben Sie Ihren potenziellen Kunden die Sicherheit, die sie brauchen, um sich für Sie und Ihre Angebote zu entscheiden.

Sie wissen:

Unserem Gegenüber Sicherheit geben – das ist der Faktor, auf den es wirklich ankommt, wenn wir überzeugen wollen.

Gutes Gelingen!