02.03.2016 | Stolpersteine

Die 5 Missverständnisse beim Thema Spezialisierung

Sie wollen – oder müssen – über Ihre Auftragslage nachdenken. Es muss besser werden! Vielleicht, weil die Auftragslage zu wünschen übrig lässt. Oder Aufträge kommen zwar, rechnen sich aber nicht oder freuen Sie nicht. Das passende Rezept für mehr Erfolg? Verstärkt auf Spezialisierung setzen!

Auf diesen Rat hin höre ich jedoch sehr oft zumindest einen der nachfolgenden Einwände.

Doch Spezialisierung ist ein unschlagbares Erfolgsrezept. Entdecken Sie die Missverständnisse, die hinter den Befürchtungen stecken. Sie sollen Ihnen nicht den Weg verstellen.

Keine Chance! Meine Kunden verlangen Full-Service.

„Nicht die gesamte Palette im zu Angebot haben, das ist in meinem Segment nicht machbar. Meine Aufträge kommen aus dem gesamten Spektrum. Wenn ich nicht Full-Service anbiete, gehen meine Kunden zu einem, bei dem sie das ganze Bündel bekommen.“

Ja, schon richtig:
Wenn man in einem kleinen Ort der einzige Grafiker ist, macht es keinen Sinn, nur noch Infografik anzubieten. Oder als einzige Friseurin ausschließlich Frisuren für das besondere Ereignis. Auch in der Großstadt sieht man als Gemüsehändler nicht so leicht, wie man sich durch eine Spezialisierung von anderen Gemüsehändlern abheben soll.

Trotzdem ist es ein Missverständnis, denn …
… sich zu spezialisieren bedeutet nicht automatisch, sich auf ein einziges Produkt oder eine Dienstleistung zu beschränken

Es ist nämlich so:
Zusätzlich zum Was gibt es viele weitere Stellschrauben für eine Spezialisierung: Das Wo, Wann, Wie und das Für-Wen: unkomplizierter Vor-Ort Service; auch nach Feierabend; unschlagbar freundlich; für alle, die es eilig haben …

Ihr Angebot wird nachgefragt und gut bezahlt, wenn es echten Nutzen bringt. Egal was Sie tun, Sie können immer zusätzlichen – speziellen – Nutzen draufpacken!

Ich kann von meiner Leidenschaft nicht leben.

„Wenn ich mich spezialisiere, und wirklich das tue, was ich am liebsten tue/am besten kann – das geht sich nicht aus. Davon kann ich nicht leben.“

Ja, das kann sein:
„Tu, was du liebst“ und „Mach, was du am besten kannst“ sind verkaufskräftige Buchtitel, weil sie versprechen, was wir uns wünschen: alles leicht, alles einfach, zudem natürlich erfolgreich und mit klingelnder Kasse. Denken wir genauer darüber nach, wird schnell klar: Mit meinem ExpertInnen-Wissen über Fliegenfischen kann ich keinen Laden aufmachen, von dem ich leben kann.

Trotzdem ist es ein Missverständnis, denn …
… eine Spezialisierung ist kein Geschäftsmodell.

Es ist vielmehr so:
Wenn Sie eine Leidenschaft zu einem erfolgreichen Unternehmen ausbauen möchten, brauchen Sie, was jedes erfolgreiche Unternehmen braucht: das passende Geschäftsmodell (= wie erwirtschafte ich mit meinem Angebot Gewinn?). Darum kommen Sie nicht herum.

Die Schleife schaut so aus:

  • Wenn Sie erfolgreich sein wollen, brauchen Sie ein zugkräftiges Geschäftsmodell.
  • Für Ihr zugkräftiges Geschäftsmodell brauchen Sie …? Eine Spezialisierung!
  • Eine tiefe Leidenschaft ist ein sehr guter Ansatzpunkt für diese Spezialisierung!
  • Trotzdem gilt es, unternehmerisch zu denken und zu handeln -> zugkräftiges Geschäftsmodell …

Mir ist das zu eng. Ich brauche die Vielfalt.

„Klingt ja einleuchtend, das mit dem Experte sein – aber ehrlich, das geht einem doch in Nullkommanichts auf die Nerven, das wird ja fad, wenn man nur noch eine Sache macht. Das möchte ich nicht.“

Schon klar:
Jeden Tag dasselbe essen, auch wenn es die Lieblingsspeise ist … Der Mensch braucht Abwechslung!

Trotzdem ist es ein Missverständnis, denn …
… sich zu spezialisieren bedeutet nicht, sich thematisch, zeitlich, inhaltlich auf Monotonie zu verpflichten

Vielmehr gilt:
Eine gut gewählte Spezialisierung bietet Dimensionen:

  • Sie ist für unterschiedliche Bereiche anwendbar: Ich biete beispielsweise Überzeugungskraft für Marketing und Projekte. Es geht immer ums Überzeugen, und doch ist meine Arbeit super abwechslungsreich.
  • Sie bietet Aus- und Umbau-Perspektiven: Vielleicht nehme ich irgendwann Überzeugungskraft für Kampagnen in mein Angebot auf. „Wie kämpft man Wahlkampf“ war Teil meiner Ausbildung und Erfahrung habe ich damit auch.
  • Sie baut auf einem Bündel von Kenntnissen auf, die man nicht ins Schaufenster stellt, aber „drauf hat“: Ich arbeite viel mit Gruppen, Kreativ-Arbeit mit Teams ist Teil meines Geschäftsmodells. Unabhängig von meinem Kernangebot Überzeugungskraft werde ich häufig für Moderationen engagiert. Darüber freue ich mich sehr, ich mache das unheimlich gerne.

Ich bin aber kein Experte!

„Ja, schon, spezialisieren wäre sicher gut. Aber – um ehrlich zu sein – ich kann eigentlich nichts soooo gut, dass ich da wirklich Expertin/Experte wäre.“

Ja, keine Frage:
Die Idee, sich selbst als Experte zu definieren, kann einschüchternd sein. Denn: Das würde ja bedeuteten, immer eine Antwort haben zu müssen – das ist zumindest das Bild, das wir haben.

Trotzdem ist es ein Missverständnis, denn …
… Experte auf einem Gebiet zu sein bedeutet nicht, für ALLE Menschen ein Experte zu diesem Thema zu sein.

In Wahrheit ist es so:
Wenn man auf einem Gebiet gut ist, gibt es immer Menschen, für die man eine echte Hilfe ist. Für diese Gruppe ist man Experte. Das bedeutet weder,

  • dass man auch in der nächsten Liga als Top-Spieler mitmischen kann,
  • noch, dass man nichts mehr dazuzulernen hat,
  • noch, dass man nie sagen kann, „Darauf komme ich zurück. Das schlage ich nach, dann haben wir das am optimalen Stand“.

Zu wissen, wo die Grenzen des eigenen Wissens liegen, wo spezielles Wissen zu bekommen ist, und wie man – zack-zack – daran kommt, das ist genau, was es ausmacht, SpezialistIn zu sein.

Es ist zu spät für mich.

„Wenn ich nochmal anfangen würde, dann würde ich mich spezialisieren. Aber jetzt bin ich mittendrin. So einen Bruch kann ich mir nicht leisten. Ich bin ja froh, dass ich die Kunden hab, die ich hab. Noch mal ganz von vorne? Nein.“

Keine Frage:
Das Risiko, zu verlieren, was man hat und noch nicht zu wissen, ob das Neue sich bewähren wird, kann ganz schön verunsichern. Die Vorstellung einer großen Veränderung ist oft die ultimative Bremse.

Trotzdem ist es ein Missverständnis, denn …
… sich zu spezialisieren bedeutet nicht, den zwingenden Bruch mit allem Bisherigem. Es heißt nicht: Schnitt, alles neu, jetzt sofort, durch und durch.

Schauen wir den Tatsachen hart ins Auge :-)
Würden die Geschäfte zu Ihrer vollen Zufriedenheit laufen, wäre Veränderung kein Thema. Die Sache neu und anders anzulegen, steht also sowieso an.

Spezialisierung erfordert keinen radikalen Schnitt. So kommen Sie ohne harte Brüche aus:

  • Sie klären, wo Ihre Möglichkeiten liegen: Das ist die richtige Spezialisierung, das ist das passende Geschäftsmodell.
  • Dann fahren Sie vorübergehend mehrgleisig. Sie drehen die eine Seite im passenden Tempo hoch, die andere runter. So schaffen Sie weiche Übergänge und ziehen trotzdem Schritt für Schritt in die neue Richtung.

Die einzige Radikalität, zu der ich rate: Entschluss fassen, die notwendige Veränderung angehen, Schritte setzen. Genau so klein und groß wie sinnvoll und notwendig. Erster Schritt: Einfach mal ernsthaft ins Auge fassen. :-)

Und falls Sie DAS Buch zum Thema Spezialisierung lesen möchten: Tony Hsieh „Delivering Happiness“ (leider noch nicht auf Deutsch). Die sehr amüsant geschriebene Erfolgsgeschichte des amerikanischen Unternehmens Zappos und seines Gründers, Tony Hsieh. Spezialisierung? Kundenzufriedenheit ohne Kompromisse. Zur großen Freude 100.000er Zappos-Fans. Tolles Buch!