Wie wir klingen, ist entscheidend für unsere Überzeugungskraft. Das gilt freilich auch für das geschriebene Wort. Dabei sind Details wichtig. Auf eines dieser Details möchte ich heute die Scheinwerfer richten: Die Assoziationen und Erwartungen, die der Klang von Worten weckt. Denn hier treffen wir auf ein Phänomen, das so unbewusst wirkt, dass wir es leicht übersehen. Doch wer Wert auf den Erfolg seiner Texte legt, kalkuliert auch die Feinheiten des Klangs. Sie werden erstaunt sein, was uns die Wissenschaft dazu sagen kann.
Finden Sie die Gemeinsamkeit in Knoblauch, Knolle, Knospe und Knoten? Ja, richtig, Kno. Und eine weitere? – Entdeckt? Bei allen vier Worten handelt es sich um kleine, runde Dinge. Das ist interessant! Worte für kleine, runde Sachen beginnen im Deutschen häufig mit Kno.
Lange, dünne hingegen? – Sie starten außergewöhnlich oft mit Str. Nehmen Sie: Strand, Strecke, Strahlen, Strumpf.
Das können Sie jetzt freilich für Zufall halten. Und Sie haben dabei einige Gelehrte auf Ihrer Seite. Denn die Wissenschaft will sich zu diesem Thema seit Jahrhunderten nicht recht einig werden: Stehen Klang und Inhalt eines Wortes in einem systematischen Zusammenhang?
Doch zunehmend liefern Untersuchungen Belege, die die Aufmerksamkeit von Linguisten, Psychologen, Neurowissenschaftler und Marketingforscher auf die Wirkung von Lauten lenken.
Ist Ihnen das schon einmal aufgefallen: Nennt man kleine Dinge beim Namen, klingen sie auffallend oft auch klein. Und das nicht nur im Deutschen, in dem Lisi und Hansi die kleinen Ausgaben von Hans und Lise sind. Auch klein und winzig klingen … klein. Dazu das französische petite, das englische teeny-weeny, das spanische chico. Das griechische mikros ebenso. Woran das liegt? Achten Sie auf den Klang von „i“.
Und Großes? Wie klingt das? Koloss, enorm, grandios. Grand, makros, gordo … Die Gemeinsamkeit: die offenen Laute a und o. Spielen sie eine entscheidende Rolle, so klingen Begriffe in unseren Ohren größer. Es verblüfft, doch wir wenden diese Regel unbewusst an, sollen wir Dingen einen passenden Namen zu geben.
Das konnte der amerikanische Linguist Edward Sapir bereits im Jahr 1929 anhand einer Studie belegen. Seither haben Forscher in verschiedenen Ländern Untersuchungen unternommen, die Sapirs Erkenntnisse deutlich belegen.
Edward Sapirs bat für seine inzwischen legendäre Studie Versuchspersonen, Kunstwörtern wie Mil und Mal fiktiven Gegenständen zuzuordnen. Der Unterschied zwischen den Gegenständen: Sie waren unterschiedlich groß. Die Versuchspersonen sollten nun intuitiv entscheiden, welcher Name welchem Gegenstand besser entspricht. Ergebnis: Rund 80 Prozent der befragten Personen entschied, der größere Tisch müsse Mal heißen, der kleinere dagegen Mil. Und diese Einschätzung zeigte sich stabil. Unabhängig davon, ob Sapir Kinder oder Erwachsene, Amerikaner oder Chinesen, Studenten oder Handwerker entscheiden ließ.
Viele Jahre später bat die amerikanische Psycholinguistin Tina Lowrey Versuchspersonen verschiedenen Automodellen fiktive Namen zu geben. Wie erwartet bekamen das schnittige Cabrio häufiger Brido und Prish zum Namen. Der massive SUV hingegen? – Brado und Prash.
Der indische Hirnforscher Vilayanur Ramachandran verblüfft sein Publikum mit folgendem Versuch: Ramachandran präsentiert seinen Probanden zwei Zeichnungen, eine mit rundlichen Formen, die andere gezackt. Die Frage lautet, welche der Formen sollte Kiki heißen, für welche wäre Bouba das richtige Wort.
Sie erraten es: Die rundliche müsse Bouba sein, die eckige Kiki heißen. Da herrscht zwischen 95 Prozent der Befragten Einigkeit. Denn, unabhängig von unserer Muttersprache:
Die scharfen, harten Klänge des Wortes Kiki passen für unsere Sinne eher zu einer hart anmutenden Form. Die weichen Laute des Wortes Bouba hingegen, harmonieren mit unseren Empfindungen, die runde Formen bei uns bewirken.
Was denken Sie nun: Wollen wir ein süßes kleines Häschen Takete nennen? Oder wird Maluma der passendere Name sein? Und zu welchem Ergebnis werden wir kommen, wenn wir den Versuch mit vielen Menschen wagen?
Der Psycholinguist Markus Conrad startet seine Untersuchungen mit der Hypothese, dass einzelne Laute bei Menschen positive oder negative Gefühle wecken. Im Rahmen seiner Untersuchungen nahm er jeweils 7000 Wörter aus dem Englischen, Deutschen und Spanischen, um sie näher zu bestimmen. Dabei fand er zum Beispiel heraus, dass deutsche Wörter mit den Lautverbindungen kr und br überdurchschnittlich häufig negative Bedeutung haben: Krieg, Krampf, Krise. Brenzlig, Brand, brutal.
Nun gibt es auch Brille und Brise und diese Worte scheinen Conrads Theorie zu widersprechen. Und doch: Die Ergebnisse, die Conrad anhand seiner Computeranalyse von mehreren 1000 Wörtern fand, überzeugt heute auch Skeptiker. Denn sie zogen zahlreiche Studien nach sich, die Conrads Ergebnisse erhärten.
So fand man in weiteren Untersuchungen heraus, dass i-Laute nicht nur häufig in Worten für kleine Dinge zu finden sind, sondern auch häufig für besonders schöne wie Liebe, Paradies, Friede. Der O-Laut hingegen findet sich nicht nur auffallend oft in „großen“ Worten, sondern auch besonders häufig in negativen wie Tod, Opfer, Not.
Eine vielfach herangezogene Theorie erklärt diese – sprachenübergreifenden – Phänomene mit den Bewegungen unseres Mund- und Rachenraumes, während wir diese Worte sprechen:
Haben Sie sich schon manchmal gefragt, wie es großen Dichtern gelingt mit ihren Worten Atmosphäre zu schaffen. Warum manche Stellen in Büchern so „spürbar“ sind? Die Sprachintuition, die großartige SchreiberInnen ausmacht, hat freilich viele Seiten. Eine dieser Seiten ist das Gespür dafür, dass der Klang von Worten unbewusst auf der Ebene der Empfindungen wirkt. Egal, ob wir diesen Klang durch gesprochene Worte hören oder durch die innere Stimme, mit der wir Worte lesen.
Daher:
Dann vergleichen Sie. Die Meinung von Kolleginnen und Kollegen hilft zusätzlich weiter. Denn: Wenn Ihre Worte tatsächlich in die falsche Klangrichtung zielen, wird das Ergebnis des Vergleiches eindeutig und sehr überzeugend sein.
Gutes Gelingen!
DAS Buch zum Thema und Quelle für diesen Überblick: Stefanie Schramm, Claudia Wüstenhagen „Das Alphabet des Denkens – Wie Sprache unsere Gedanken und Gefühle prägt“.
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